Fronleichnam geht auf eine Vision, die sich häufig auf das Altarsakrament bezog, der für ihren frommen Lebenswandel bekannten belgischen Klosterschwester Juliana von Lüttich, die tagelang in stiller Anbetung vor der geweihten Hostie verharren konnte, zurück.
Juliana kam schon früh als Waise ins Leprosenhospital von Lüttich, Mont Cornillon, das von Augustinerinnen betreut wurde. 1206 trat sie in dieses Kloster ein, wurde 1222 Priorin und 1230 Oberin des weiblichen Teils der Abtei Mont Cornillon. Eine Vision eines Mondes, der an einer Stelle verdunkelt war, deutete sie als Hinweis Christi, dass der Kirche ein Fest zur besonderen Verehrung des Altarsakramentes fehle. 1869 wurde Juliana heiliggesprochen. Ihr Gedenktag ist der 5. April.
Auf Anregung der hl. Juliana von Lüttich hat der wallonische Geistliche Robert de Thourotte, Bischof von Lüttich, 1246 das Fronleichnamsfest zur besonderen Verehrung des Altarsakramentes mit dem Pastoralbrief Inter alia mira für seine Diözese angeordnet. Im folgenden Jahr feierten die Dominikaner von St. Martin in Lüttich das Fronleichnamsfest, das „Hochfest des Leibes und Blutes Christi“, der Leib des Herrn sollte besonders verehrt werden, zum ersten Mal.
Fron steht für ‘unentgeltliche Arbeit leibeigener und höriger Bauern für den Grund- oder Gutsherrn im Feudalismus’. Mittelhochdeutsch „vrōn(e)“, jene Sprachstufe des Deutschen, die zwischen 1050 und 1350 im ober- und mitteldeutschen Raum gesprochen wurde, ist eine Substantivierung des mittelhochdeutschen Adjektivs „vrōn“ ‘was den, geistlichen oder weltlichen, Herrn betrifft, ihm gehört, heilig‘.
In Fronleichnam ist der religiös-christliche Gebrauch des Adjektivs erhalten. Es heißt ‘der Leib des Herrn, der Leib Jesu Christi’, von Mittelhochdeutsch vrōnlīcham, vrōnlīchname, nach Mittelhochdeutsch der vrōne līcham.
„Fronleichnam“, in: Wolfgang Pfeifer et al., Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (1993), digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, abgerufen am 31.05.2021.
Papst Urban IV., ehemals Erzdiakon von Lüttich, gab 1264 die Bulle „Transiturus de mundo“ heraus, die Fronleichnam als Fest einführte, das in der ganzen Kirche gefeiert und den höchsten Kirchenfesten gleichgestellt werden sollte. Wegen Urbans Tod 1264 wurde der Order in den meisten Ländern erst nach seiner Bestätigung durch Papst Clemens V. auf dem 15. Allgemeinen Konzil der römisch-katholischen Kirche von 1311 bis 1312 in Vienne, im Süden Frankreichs an der Rhône gelegen, das auf Drängen von Philipp IV., dem König von Frankreich, einberufen wurde, befolgt. Ziel der Einführung eines Festes kraft päpstlicher Vollmacht war die verehrende Anbetung des im Sakrament anwesenden Christus.
Eine kostbare Monstranz, ein mit Gold und Edelsteinen gestaltetes Schaugerät mit einem Fensterbereich, in dem eine konsekrierte Hostie gezeigt wird, bildete den rituellen Mittelpunkt einer Fronleichnamsprozession. Die in der Wandlung der heiligen Messe vor der Prozession konsekrierte Hostie ist nach dem Glauben der römisch-katholischen Kirche der Leib Christi.
Der Zug entwickelte sich langsam hin zu der von einem Priester begleiteten, mit einem in der Regel von weltlichen Würdenträger getragenen Baldachin bekrönten, Monstranz. Die ersten Fronleichnamsprozessionen hielt man zwischen 1264 und 1268 in St. Gereon, einer großen romanischen Stiftskirche in Köln, und 1301 in der Abteikirche der Benediktinerabtei St. Godehard in Hildesheim ab.
Am Beginn des Zuges kündigten blumenstreuende Kinder und Meßdiener das Kommen des Sakraments an. Dann folgten in der Regel verschiedene Gruppen von Geistlichen, gefolgt von Handwerkszünften und Bruderschaften mit Kerzen und Fahnen.
Das vom höchsten geistlichen Würdenträger gehaltene, in der Monstranz aufbewahrte „Venerabile“, das Allerheiligste, die geweihte Hostie, folgte. Unmittelbar nach dem Allerheiligsten folgten die Ranghöchsten der Stadt und danach hierarchisch absteigend, proportional zur Entfernung von der Monstranz, immer Rangniedere.
Prozessionen lassen sich als Ritual, als kollektive Handlungen, deren Ablauf festgelegt ist und die symbolische Bedeutung in sich tragen, interpretieren. Herrschaft, Hierarchie und soziale Ordnung innerhalb von Städten wurden mit Hilfe der Prozessionen visualisiert und eingelernt.
Martin Luther, Augustinermönch und Theologieprofessor und einer der Initiatoren der Reformation, kritisierte die Äußerlichkeit der Frömmigkeit der Prozessionen. Ihm fehlte die biblische Grundregelung. Das führte dazu, daß Prozessionsteilnehmer ab den 1520er Jahren verhöhnt und Prozessionen als „Brot“-Umtragung diskreditiert wurden. Die von den Prozessionsteilnehmern durchschrittenen Räume gerieten in reformatorischer Zeit immer mehr zu Orten öffentlich ausgetragener Konflikte.
Herrschaft, Hierarchie und soziale Ordnung innerhalb von Städten wurden mit Hilfe der Prozessionen visualisiert und eingelernt. Bei für die Katholiken ungünstigen Mehrheitsverhältnissen, suchten sie Machtkämpfen zu entgehen, indem die Öffentlichkeit eingeschränkt wurde. Das Stift Melk zum Beispiel hielt im Jahr 1578 aus Furcht vor Gewalteskalation seine Prozession hinter geschlossenen Toren innerhalb des Klosters ab. Ein fränkischer Bäckerknecht entriß 1549 dem Priester bei der Fronleichnamsprozession am Graben in Wien die Monstranz, trat das Venerabile mit Füßen und wurde dafür zum Tode verurteilt.
Der Druck auf die Bürger, an der Fronleichnamsprozession teilzunehmen, wuchs mit Beginn des 17. Jahrhunderts wieder an. Die erzwungene Verinnerlichung von katholischen Heilsmitteln wurde zu einem der konstitutiven Faktoren des Gesellschaftsaufbaues. Nach dem Sieg der Gegenreformation in den österreichischen Erblanden, machte sich eine durch obrigkeitliche Maßnahmen gelenkte Propagierung von Wallfahrt und Prozessionswesen breit. Das Kaiserhaus und die habsburgischen Landesfürsten waren in die Eucharistieverehrung eingebunden. Kaiser Karl V. beteiligte sich demonstrativ zu Fuß am Reichstag von 1530 an der Augsburger Fronleichnamsprozession.
Eine viel zitierte Legende besagt, dass der Habsburger Herrscher Rudolf I. einen Priester traf, der einem Kranken die Hostie zum Sakrament der Höchsten Salbung überbrachte. Als Zeichen seiner Demut vor dem Abendmahl soll Rudolf dem Priester sein Pferd gegeben und ihn zu Fuß begleitet haben. Dies war ein sehr beliebtes Motiv und fand in der Dynastie eine ganze Reihe von Nachahmern. Es ist überliefert, dass mehrere Habsburger demütig vor der Hostie in der Monstranz niederknieten oder den Priester zu Fuß und mit entblößtem Kopf begleiteten.
Die Eucharistiefeier war eine der elementarsten Ausdrucksformen des Katholizismus und wurde am Wiener Hof in der Zeit der Kirchenspaltung als Zeichen der Loyalität zur römischen Kirche bewusst gepflegt. So ordnete der Kaiser in Zeiten außergewöhnlicher Gefahr an, dass das Heilige Sakrament in kostbaren und kunstvollen Monstranzen auf Kirchenaltären zur Verehrung dargebracht werden sollte, um göttliche Hilfe zu erbitten.
Die Prozession wurde von drei Priestern angeführt, gefolgt von einer Delegation von Hofbeamten. Nach ihnen kamen die Hofkleriker in voller Kanonik, dann der Hof und die staatlichen Würdenträger in voller Hofkleidung, darunter nach Rang geordnet, die Geheimräte und Minister, gefolgt von den Erzherzögen.
Der Baldachin wurde von vier edlen Kammerherren getragen und über dem Hofburgpfarrer gehalten, der die Monstranz mit der Hostie hochhielt. Unmittelbar dahinter schritt der Kaiser mit entblößtem Haupt. Er wurde begleitet vom Obersthofmeister (Vorsteher des Hofhauses) und flankiert von seinen Wachhauptleuten.
Den Schlusspunkt der Prozession nahmen die Hofdamen auf, angeführt von der Kaiserin und anderen weiblichen Mitgliedern der Familie, gefolgt von den Hofdamen, den Frauen der höchsten Hofwürdenträger. Die Fronleichnamsprozession blieb bis zum Ende der Monarchie das auffälligste Zeichen der institutionalisierten Frömmigkeit des Hofes. Diese öffentliche Demonstration war eine klare Aussage, dass der Katholizismus die Staatsreligion für das Haus Habsburg blieb.
Die höfisch-repräsentative „Pietas Austriaca“ suchte über Legendenbildung an die Eucharistieverehrung von Rudolf von Habsburg anzuknüpfen. Neben den vierzigstündigen Gebeten und den Sakramentsspielen nach spanischem Vorbild trugen vor allem Fronleichnamsprozessionen zur Erneuerung katholischen Lebens in der Öffentlichkeit bei. Der Herrscher begleitete dabei die öffentlich sichtbare Monstranz und den hostientragenden Geistlichen.
Die Fronleichnamsprozession des Hofes wurde gemeinsam mit den in prächtigen roten Samt gekleideten Ritter vom Goldenen Vlies als sogenanntes „Toison-Fest“ des Hofes gemeinsam mit der bürgerlichen Stadt begangen.
In weiterer Folge kam es zu einer zunehmenden Vereinnahmung der Fronleichnamsprozession durch die Habsburger und im Laufe des 17. Jahrhunderts entwickelte sich das Fronleichnamsfest zu einer umfassenden antireformatorischen Darstellung des katholischen Glaubens. Die Fronleichnamsprozession vom 10. Juni 1630 in Steyr stellte alles Bisherige in den Schatten.
Prominentester Teilnehmer dieser Prozession war der Kaiser selbst, der auf dem Weg zum Regensburger Kurfürstentag in Steyr Station machte. Diese Prozession symbolisierte das konfessionalisierende Bündnis von Kaisertum und Kirche und schien gleichzeitig auch den bevorstehenden Sieg der kaiserlichen Waffen im Dreißigjährigen Krieg zu verkünden.
Die Anwesenheit von Ferdinand II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, seiner Frau Eleonora von Gonzaga und des nachmaligen Kaisers Ferdinand III. sowie der Hofmusik und des gesamten Hofstaates beim großen „Umgang“ von 1630 belegen die öffentlichkeitswirksame, gegenreformatorische Inszenierung von Rechtgläubigkeit und verdeutlichen das Interagieren von Kaiserhof, Rat und Kommune Steyr.
Die Prozession in Steyr wirkte herrschaftsstabilisierend und betonte die erfolgreich durchgesetzte Gegenreformation. Prozessionen, als geistliche Hoffeste verstanden, sollten durch optische Opulenz beeindrucken und zur Visualisierung des Glaubens beitragen. Prozessionen stellten seit dem Konzil von Trient (1545-1563), das die Prozession billigte und die Prozession am Fronleichnam als öffentliches Bekenntnis des katholischen Glaubens in der wirklichen Gegenwart Christi im Heiligen Sakrament empfahl, einen wichtigen Unterscheidungsritus gegenüber den Protestanten dar.
Die strenge hierarische Ordnung von Kirche und Staat im Sinne der Konfessionalisierung sollte durch Prozessionen, die stark von Jesuiten getragen wurden, dem Protestantismus demonstrativ gezeigt werden. Prozessionen halfen disziplinierend, komplexe gegenreformatorische Glaubenssätze wie die Transubstantiation und die reale Existenz Christi im Leib visuell zu tradieren. Die Macht der Bilder drang direkt in die seelische Potenz der Menschen ein.
1334 stiftete Heinrich von Luzern, der Pfarrer von St. Stephan, der vor seiner Tätigkeit in St. Stephan ein Kanonikat in Konstanz innehatte, einen „Gottesleichnamsaltar“ für den Chor von St. Stephan und verordnete eine jährlich abzuhaltende Messe samt Prozession innerhalb der Kirche.
1363 beschloss der Habsburger Rudolf IV. den öffentlichen Umzug in der Stadt. Das Allerheiligste war unter Entfaltung kirchlichen und profanen Pomps durch die Straßen von Wien zu tragen. Rudolf IV. war Herzog von Österreich und Steiermark, Kärnten und Krain und Graf von Tirol. Er kam 1358 als 18-jähriger nach Wien, um die Nachfolge seines verstorbenen Vaters, Herzog Albrechts II., anzutreten. Rudolf IV. hatte den Ausbau der Wiener Stephanskirche, für den er am 7. April 1359 den Grundstein für den südlichen Hochturm und den gotischen Erweiterungsbau der Kirche legte, veranlasst.
Der Weg der Prozession führt vom Stephansplatz über die Kärntnerstraße, Führichgasse und Augustinerstraße zur Augustinerkirche mit einer Station am Josefsplatz. Über den Michaelerplatz und den Kohlmarkt führt die Prozession zur Dreifaltigkeitssäule am Graben und zurück zum Stephansplatz.Entlang der Prozessionsstrecke durch Wien waren im Freien vier Altäre aufgestellt, bei denen das Evangelium gelesen, der Segen erteilt und Salve geschossen wurde..
Die Nobelprozession fand unter Teilnahme des Kaisers, des Hofs und der Honoratioren, zelebriert durch den Erzbischof, von Truppen mit klingendem Spiel begleitet, statt.
Kaiser und Fleischhackerknecht. Städtische Fronleichnamsprozessionen und öffentlicher Raum in Niederösterreich/Wien während der Frühen Neuzeit. Scheutz, Martin. (2003) – In: Aspekte der Religiosität in der frühen Neuzeit S. 62-125 |
Zu Fronleichnam gehen Katholiken auf die Straße und wenn die Straße eine Wasserstraße ist, dann gehen Sie in Oberösterreich auf´s Wasser und zwar auf das Wassser des Hallstätter See´s und des Traunsee´s. Die Straße nach Hallstatt wurde erst 1875 gebaut. 1623 wurde das erste Mal die Fronleichnamsprozession in Hallstatt am See abgehalten. Nach dem Bau der Straße wurde dieser Brauch bis heute fortgesetzt und ist inzwischen ein touristisches Highlight.
Die Traunsee-Uferstraße zwischen Ebensee und Traunkirchen wurde 1861 fertiggestellt. Wer vor 1861 von Gmunden nach Ebensee reisen wollte, musste das Dampfschiff nehmen, das dreimal pro Woche über den Traunsee fuhr, oder zu Fuß über die Berge gehen. Die Seeprozession zu Fronleichnam in Traunkirchen wurde 1632 von den Jesuiten eingeführt. 1622 hatte Kaiser Ferdinand II. das Kloster in Traunkichen dem Jesuitenkolleg in Passau übergeben. (Quelle: Anneliese Ratzenböck und Andrea Euler, Durchs Leben – durchs Jahr, Aktuelle Bräuche in Oberösterreich, Trauner Verlag 2008, Seite 84).
In Traunkirchen wird die Seeprozession wie in Hallstatt gepflegt und findet regen Zuspruch von Seiten der Oberösterreicher und ihren Gästen.